Sehr geehrte Vertreter von Investoren, Flächeneigentümern und Projektentwicklern,
die Stadt Jessen (Elster) hat mit Beginn der Energiekrise und als aktiven regionalen Beitrag zur Energiewende einen Kriterienkatalog für die Errichtung von Freiflächen PVA beschlossen.
Dieser wurde am 06.07.2022 veröffentlicht und ist auf dieser Seite einzusehen.
Die für die Bebauung vorgesehene Gesamtfläche beträgt 1% der kommunalen Fläche und entspricht 352 ha.
Bereits im ersten Jahr der Antragsannahme wurden über 30 Projekte angemeldet, welche in der Summe der Einzelflächen die verfügbare Fläche überstieg.
Im zweiten Jahreszeitraum 01.09.2022 bis 31.08.2023 kamen weitere 16 Projekte hinzu.
Die Anträge wurden nach Eingang geprüft und dem Stadtrat vorgeschlagen. Der für unser Bauamt damit verbundene Mehraufwand ist erheblich und muss ohne personelle Ergänzung gestemmt werden.
Mit den bisher verabschiedeten Aufstellungsbeschlüssen ist die beschlossene Gesamtfläche „belegt“.
Somit bitten wir um Kenntnisnahme und Verständnis, wenn die Stadtverwaltung Jessen (Elster) weiterhin eingehende Projekte ohne jegliche Präsentationen oder Prüfungsversprechen in der Anmeldeliste ablegt.
Damit ist lediglich die Pflicht nach offizieller Annahme und respektvoller Würdigung erfüllt.
Wir bitten Sie darum, eigene Aufwände für Planungen, Flächenakquise und Kommunikation in für Sie vertretbar wirtschaftlichen Grenzen zu halten.
Michael Jahn
(Bürgermeister)
Beschlussvorlage Stadtrat 05.07.2022
Präambel
In den letzten Monaten hat die Anzahl der Nachfragen zur Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen, vorwiegend auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, ein erhebliches Ausmaß angenommen. Nicht nur die Anzahl der Anfragen, auch die Größe der Projekte macht ein Handeln und Steuern auf kommunaler Ebene zwingend erforderlich.
Auf dem Stadtgebiet von Jessen werden bereits erneuerbaren Energien gewonnen. Dazu tragen insbesondere Windkraftanlagen, Biogasanlagen sowie Photovoltaikanlagen auf Dachflächen und eine Freiflächen-Photovoltaikanlage bei.
Im Sinne des Klimaschutzes und angesichts des nahenden Ausstiegs aus der Kernenergie und Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen steht die Stadt Jessen (Elster) einem weiteren Zubau an Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien nicht entgegen. Dazu könnten auch Solaranlagen auf Freiflächen (Ackerflächen) einen Beitrag leisten. Aus Sicht der Stadt stehen keine großflächigen Brach- und Konversionsflächen zur Verfügung. Deshalb sollten mindere landwirtschaftliche Flächen in Betracht kommen. Die Stadt Jessen (Elster) hat sich zum Ziel gesetzt, zunächst grundsätzlich abzuwägen, ob und unter welchen Voraussetzungen dies verträglich mit Landschaftsbild, Landwirtschaft und weiteren Belangen erfolgen kann. Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes ist zu vermeiden.
Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind in der Regel ab 2 ha raumbedeutsam und bedürfen vor ihrer Genehmigung einer landesplanerischen Abstimmung.
Der Bau eines Solarparks im Außenbereich erfordert einen (vorhabenbezogenen) Bebauungsplan und wenn vorhanden, die Änderung/ Anpassung des Flächennutzungsplanes. Anhand übergreifender Kriterien will die Stadt Jessen (Elster) grundsätzlich festhalten, ob und unter welchen Voraussetzungen Freiflächenphotovoltaik über die Bebauungsplanung ermöglicht werden soll. Die Kriterien sollen den Stadtrat dabei unterstützen, über konkrete Anfragen/ Anträge zu entscheiden.
Anwendung der Kriterien für Freiflächen-Photovoltaik
Interessenten, die auf dem Stadtgebiet eine Freiflächen-Photovoltaikanlage (Solarpark) errichten wollen, müssen gegenüber der Stadt Jessen (Elster) nachvollziehbar darlegen, dass ihre Projekte den Kriterien entsprechen und wie sie ihr Projekt im Hinblick auf die in den Kriterien benannten Aspekte ausgestalten werden. Ein formeller Rahmen wird dafür nicht vorgegeben.
Die Aufarbeitung der Projekte erfolgt durch die Verwaltung und der Stadtrat entscheidet über die Annahme zur Einleitung des Bauleitverfahrens.
Der Kriterienkatalog hat auf das eigentliche Bebauungsplanverfahren keinen Einfluss.
Detailliertere Vereinbarungen zur Ausgestaltung des Projektes werden vor Umsetzung verbindlich in einem städtebaulichen Vertrag festgehalten.
Sollte sich in der Anwendungspraxis herausstellen, dass gemäß den Kriterien keine oder nur
geringfügige Flächen für Photovoltaik zur Verfügung stehen, dann wird der Stadtrat über eine Änderung der Kriterien im Sinne weniger restriktiver Formulierungen beraten.
Kriterien
Für Entscheidungen über die Einleitung eines (vorhabenbezogenen) Bebauungsplanes zur Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen im Außenbereich der Stadt Jessen (Elster) gelten die folgenden Kriterien:
(1) Ausschlusskriterien für die Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen
- Die Errichtung von solchen Anlagen in folgenden Schutzgebieten ist ausgeschlossen, da das Vorhaben nicht mit dem Schutzzweck in Übereinstimmung steht oder gebracht werden kann:
- Naturschutzgebiete,
- FFH Gebiete,
- Europäische Vogelschutzgebiete
- Landschaftsschutzgebiete
- Gebiete nach § 30 BNatschG und flächenhafte Naturdenkmale
- Zusätzlich scheiden natürliche Stand- und Fließgewässer einschließlich Gewässerrandstreifen, festgesetzte sowie vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete und Wasserschutzgebiete, Schutzzonen 1 und 2 als Standorte aus.
- Landesentwicklungsplan
- Regionaler Entwicklungsplan Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg
(2) Flächenbeanspruchung
- Die Gesamtfläche des Stadtgebietes Jessen (Elster) umfasst 35.190 ha. Maximal 1 % sollen für die Freiflächen-Photovoltaikanlagen genutzt werden. Das entspricht einer Fläche von 352 ha.
- Die Gesamtgröße einer Freiflächen-Photovoltaikanlage wird begrenzt auf max. 25 ha.
Die Flächenbegrenzung bezieht sich auf die Ausdehnung insgesamt, nicht nur auf die von den Solarmodulen überdachte Fläche. - Die Konzentration von einzelnen Anlagen an einem Standort ist zu vermeiden.
Innerhalb einer Gemarkung wird die Obergrenze für PVA auf 10% der Gemarkungsfläche und auf maximal 75 ha festgesetzt. - Auf landwirtschaftlichen Flächen im Außenbereich, die durch Anlagen und technische Einrichtungen erschlossen sind (z.B. Beregnungsanlagen, Leitungen, Brunnen, feste Koppeln, Siloanlagen, Wege) ist die Bebauung mit PV Anlagen nicht zulässig, wenn sie die Nutzung einschränken oder behindern. Diese Festlegung kann im Einzelfall aufgehoben werden, wenn der landwirtschaftliche Nutzer der Bebauung mit PV-Anlagen ausdrücklich zustimmt.
- Waldflächen dürfen nicht für die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen abgeholzt werden.
(3) Sichtbarkeit/ Landschafts- und Ortsbild
- Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen sollen zu Wohngebäuden und absehbare künftige Wohngebiete, zu denkmalgeschützten Gebäuden, zu Friedhöfen und zur Landesgrenzen eine Entfernung von mind. 200 m aufweisen.
- Der Abstand zu Waldflächen soll mind. 50 m betragen.
- Der Abstand zu Straßen soll mind. 20 m betragen.
- Der Abstand zwischen 2 benachbarten Anlagen soll mindestens 1.000 m betragen
- Um die Anlage ist ein Sichtschutz durch Bepflanzung (z.B. Hecke) vorzunehmen, wenn sich öffentliche Verkehrsanlagen, Betriebsstätten, soziale Einrichtungen oder Wohnbebauung in einer direkten Entfernung von weniger als 500 m befinden.
- Die Höhe der Bepflanzung sollte mind. Modulhöhe erreichen. Dieser Sichtschutz ist über die gesamte Zeit des Anlagenbetriebes zu gewährleisten. Zusätzliche Einfriedungen durch Zaunanlagen sind erforderlich.
- Der Projektentwickler/ -betreiber soll im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens nachvollziehbar darlegen, dass die vorgenannten Punkte gewährleistet sind, zum Beispiel mit Hilfe einer Sichtbarkeitsanalyse oder einer Visualisierung.
- Die Beeinträchtigung weiterer Landschaftsbereiche, die für den Tourismus, die Naherholung und die Jagd von besonderer Qualität sind, ist nicht zulässig.
(4) Landwirtschaftliche Qualität der Böden
- Der Bau von Photovoltaik-Anlagen soll nicht zu einer Verknappung qualitativ hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen führen. Daher sollen vorrangig landwirtschaftlich benachteiligte Ackerflächen beansprucht werden.
- Die Bodenwertzahl für Photovoltaik-Anlagen wird mit 25 begrenzt. Mindestens 80 % der einzelnen Anlagenfläche soll 25 BP nicht überschreiten.
- Kommen mehrere Flächen für Freiflächen-Photovoltaik in einem Gebiet in Frage, sind benachteiligte Flächen mit geringeren Bodenpunkten zu bevorzugen.
(5) Natur- und Artenschutz-Verträglichkeit
- Der Projektentwickler/ -betreiber soll im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens darlegen, wie die Fläche nach Inbetriebnahme gepflegt wird. Dies soll möglichst so erfolgen, dass die Artenvielfalt auf den Flächen gefördert wird.
- Bei der Umzäunung der Anlage ist gestalterisch darauf zu achten, dass Natur- und Artenschutz gefördert wird. Eine Durchlässigkeit für Kleintiere ist zu gewährleisten.
- Der Betreiber soll durch ein Mindestmaß an Pflege der Fläche gewährleisten, dass die Bewirtschaftung benachbarter, landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht beeinträchtigt wird.
(6) Netzanbindung
- Der Projektentwickler/ -betreiber soll im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens den möglichen Einspeisepunkt sowie die ausreichende Kapazität zur Einspeisung des erzeugten Stromes durch den Netzbetreiber nachweisen.
- Die Anbindung der Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen an das Stromnetz soll per Erdverkabelung erfolgen.
- Für über Gemeindeflächen zu verlegende Stromleitungen ist ein Gestattungsvertrag mit der Stadt abzuschließen.
(7) Beteiligungsmöglichkeiten
- Unternehmerisch geführte Anlagen sollen Ihren Unternehmenssitz in der Stadt Jessen (Elster) haben.
- Die Wahrung kommunaler Interessen regelt ein städtebaulicher Vertrag.
(8) Rückbauverpflichtung
- Die Betreiber einer Freiflächen-Photovoltaikanlage hat nach Stilllegung der Anlage bzw. Ende der Einspeisung den Rückbau innerhalb eines Jahres vorzunehmen. Einzelheiten sind über den städtebaulichen Vertrag zu regeln.
Anwendung der Kriterien
- Die Kriterien sind nicht als Ausschluss-, sondern als Abwägungskriterien zu verstehen.
- Wenn bei einem Solarprojekt an einem bestimmten Standort nicht alle Kriterien vollständig erfüllt sind, dann muss der Stadtrat in der Gesamtschau aller Kriterien abwägen, ob das Solarprojekt noch als verträglich eingeschätzt wird und ob der Nutzen für die Erzeugung regenerativer Energien überwiegt. Kommen mehrere Projekte/Standorte prinzipiell in Frage, dann können diese anhand der Kriterien miteinander verglichen werden.
Einzelfallentscheidungen / Verfahren
- Den Bewirtschaftern der vorgesehenen Flächen wird die Möglichkeit der Anhörung gegeben.
- Der Ortsteilbeirat des betroffenen Ortsteils wird durch die Verwaltung über das geplante Vorhaben informiert. Dieser kann eine Stellungnahme abgeben.
- Der Stadtrat kann ab drei Jahren nach Verabschiedung des Kriterienkataloges oder wenn ein Zubau an Freiflächen-Photovoltaik von insgesamt 352 Hektar erreicht ist, diese Kriterien neu überdenken, beraten und beschließen.
- Der Stichtag für die Berücksichtigung von Anträgen auf Aufstellung einer Bauleitplanung zur Errichtung eines Solarparks ist der 1. September eines Kalenderjahres, erstmals der 1. September 2022.
- Der Stadtrat behält sich abweichende Einzelfallentscheidungen in allen Punkten vor.
Übergangsvorschrift
- Jegliche Anträge und Anfragen zur Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen welche bis zum 05.07.2022 bei der Stadt Jessen (Elster) eingegangen waren, können unter Einhaltung der Kriterien erneut eingereicht werden.
Gebühren
- Bei Antragstellung werden Gebühren gemäß Gebührensatzung der Stadt Jessen (Elster) erhoben.
Jessen, den 05.07.2022
Michael Jahn
Bürgermeister
Quellenhinweise/weitere Informationen:
- Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt
- landesentwicklungsplan
- RPG A-B-W
„Planungshilfe für gesamträumliche Konzepte zur kommunalen Steuerung großflächiger PVA in der Planungsregion A-B-W“ - „Kriterien für Freiflächen-Photovoltaik in der Gemeinde Fichtenau“ vom 02.12.2021
- „Kriterienkatalog der Stadt Niederstetten für Freiflächen-Photovoltaik“ von 20.02.2020